Während meiner Teenagerjahre und frühen Zwanziger schaute ich mir eine Menge Tennis an. Ich war in Steffi Graf verliebt. Ihre Anmut, ihre Eleganz, ihre großartigen Beine. Ich weiß, dass das sehr oberflächlich von mir war, aber damals war ich gerade dabei, meine Sexualität zu entdecken und fand einen bestimmten Typ Beine sehr attraktiv. Ich sah mir nach Möglichkeit jedes ihrer Spiele an, litt zutiefst, wenn sie verlor, war glücklich und jubelte, wenn sie gewann. Die beste Droge überhaupt.
Warum also setzte ich sie nicht auf meine Liste der ersten 52? Sie hat Beeindruckendes erreicht, in ihrer aktiven Zeit Rekorde gesetzt und nach ihrer Karriere bewundernswerte philanthropische Projekte verwirklicht. Sie ist eigentlich ziemlich inspirierend.
Als ich mich jedoch zwischen zwei herausragenden Tennisspielerinnen entscheiden musste, fiel meine Wahl auf Serena Williams. Obwohl ich ihren Spielstil nie mochte. Jedenfalls nicht zu der Zeit, als ich mir viel Tennis ansah - heute mag ich ihn. Die Wahrheit ist, ich fühle mich Serena Williams viel stärker verbunden als Steffi Graf, obwohl man das Gegenteil erwarten könnte. Ich bin weiß, mindestens zu einem Viertel Deutsche und habe fast nie Temperamentsausbrüche.
Aber manchmal habe ich eben doch welche. Und es fällt mir schwer, mich zu entschuldigen, selbst wenn ich weiß, dass ich im Unrecht bin. Ich kann sehr emotional sein, auch wenn ich es meistens nicht zeige. Ich hasse es, wenn andere mich auf meine Fehler hinweisen. Ich will gewinnen, und lasse mich von Angst weder zurückhalten noch lähmen.
Serena Williams ist nicht nur die wahrscheinlich beste Tennisspielerin aller Zeiten, sie ist auch eine Königin des Comebacks. All ihre Rekorde (nachzulesen auf Wikipedia, es bräuchte sonst zwei Blogeinträge, um alle aufzuzählen), ihre Erfolge kosteten einen Preis, den sie zu zahlen bereit war: Rückschläge, Verletzungen, Niederlagen, die ständige Konfrontation mit dem Rassismus eines weiß dominierten Sports, Selbstzweifel. Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.
Zu Beginn ihrer Karriere achtete ich nur auf ihr Spiel und die Art, mit der sie Gegnerinnen und Schiedsrichter manchmal behandelte. Ich las die negativen Schlagzeilen und bildete mir nach diesen meine Meinung. Ich sah eine junge Frau mit nie da gewesener physischer Präsenz, die nicht umgehen konnte mit ihren eigenen Fehlern und anderen für diese die Schuld gab. Aber im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass ihre Physis kein Geschenk der Natur war, das ihr einen unfairen Vorteil verschaffte, sondern dass diese das Ergebnis harter Arbeit war, der härtesten auf der Tour. Der Wunsch, die Beste zu sein hatte sie dazu motiviert, mehr zu trainieren und stärker zu werden. Es war ihr Ehrgeiz, der sie anspornte, aber auch der feste Glaube daran, die Beste sein zu können und schließlich auch die Beste zu werden. Immer und immer wieder.
Vielleicht findest Du Serena Williamsunfair, launisch, übertrieben emotional oder zu stolz. Doch bevor Du sie aufgrund ihrer Fehler beurteilst, denke daran, was zu diesem Verhalten auf dem Platz geführt hat. Denke an die andere Serena, die Mutter, die Umweltaktivistin, an die beeindruckende Athletin, die sie durch schiere Willenskraft und harte Arbeit geworden ist. Eine Inspiration für schwarze und weiße Frauen gleichermaßen. Mich selbst miteingeschlossen.