Wenn es um Musik geht, ist der Text wichtiger als die Melodie. Für mich jedenfalls. Ich verstehe, dass Leute einen Song lieben können ohne auf die Worte zu hören. Manchmal sind die Melodie an sich und die Musik so stark und emotional, dass Worte unnötig scheinen. In anderen Fällen ist der Rhythmus absolut fantastisch, und der Text würde es nur verderben. Aber allgemein gilt für mich: Mag ich den Text nicht, mag ich die Musik nicht.
Deshalb war ich nie ein großer Fan von Sarah Connor. Tatsächlich kannte ich sie nicht einmal, bis ich meine Frau traf, die sie wirklich mag. Ich musste mir öfters ihre Musik während gemeinsamer Autofahrten anhören, und während ich ihre Stimme mochte, dachte ich immer, dass diese für oberflächliche Texte und Mainstream Melodien verschwendet wurde.
Inzwischen liebe ich Sarah Connor und lerne viel von ihr, aber da mich meine Frau mit ihrer Musik bekannt gemacht hat, lasse ich lieber sie erklären, warum Sarah Connor es auf die die Liste der ersten 52 geschafft hat.
Alice: Was mochtest Du schon immer an Sarah Connor?
Diana: Ich fand sie immer sehr schön. Sie war die Frau, die ich immer sein wollte: sexy, schlank, erfolgreich, alles, was ich immer sein wollte. Und ich mochte immer ihre Musik. Vielleicht nicht alles, sie war ok, sie war nett. Aber ich fand sie toll, und deshalb hörte ich auch ihre Musik. Aber dann hatte sie diese Reality Show mit ihrem Ex-Mann, und ich mochte sie nicht mehr. In dieser Show wirkte sie nicht sehr intelligent, sie wirkte so arrogant und oberflächlich. All das gefiel mir nicht.
Alice: Wann änderte sich das wieder? Was ließ Dich glauben, dass diese Frau sich komplett geändert hätte?
Diana: Es passierte während der Show „Sing Meinen Song“, als sie all diese anderen Lieder sang, auch auf Deutsch. Da bemerkte ich, dass sie wirklich singen konnte, nicht nur flache Popsongs, sondern auch wirklich Tiefes, mit viel Emotion. Da dachte ich, ok, als Sängerin ist sie wirklich gut. Nach der Show veröffentlichte sie ihr erstes Album auf Deutsch. Die Texte waren gut, manche waren sehr gut, sie berührten mich wirklich, und ich begann sie als Musikerin wieder zu mögen. Immer noch nicht so sehr als Person, aber ich versuchte, nicht so über sie nachzudenken. Ich hatte immer noch die negativen Eindrücke aus der Reality Show.
Dann wurden ihre Texte immer tiefgründiger, es waren nicht mehr nur Lovesongs, sie behandelten ernste Themen und enthielten politische Statements. Sie ergriff zum Beispiel Partei für Flüchtlinge, sang darüber, dass wir nicht immer vor allem Fremden Angst haben sollten und unsere Augen nicht vor dem Leid auf der Welt verschließen dürfen. Sie nahm auch vor einigen Jahren für eine gewisse Zeit eine Flüchtlingsfamilie bei sich auf, ohne davon zu berichten. Als die Geschichte ans Licht kam, sagte sie, dass sie einfach etwas hatte unternehmen, auf irgend eine Art helfen müssen. Sie redete nur ungern darüber, sie wollte die Story nicht als Eigenwerbung verwenden. Zu dieser Zeit begann ich zu glauben, dass sie das, worüber sie sang, auch wirklich meinte, dass sich nicht nur die Musik, sondern die Person als Ganzes wirklich geändert hatte…
Es war eine bemerkenswerte Veränderung, die zeigte, wie sich ein oberflächliches Starlet mit Minirock und High Heels in eine Frau mit Tiefe verwandelte. Eine Frau, die sich sorgt um die Gesellschaft, deren Teil sie ist und die ihren Prominentenstatus nutzt, um auch unbequeme Themen anzusprechen. Selbst wenn dies den Verlust von Fans oder einen Imagewandel zur Folge hat. Noch ein Beispiel. Als sie ihren Song „Vincent“ über über einen schwulen jungen Mann veröffentlichte, wusste sie, dass sie ein großes Risiko einging. Anfangs spielten viele Radiostationen den Song nicht. Trotzdem demonstrierte sie ihre Unterstützung der LGBTQ+ - Community.
Ich bin tief beeindruckt von diesem Wandel einer scheinbar oberflächlichen Person zu einem Menschen, der für seine Werte und Überzeugungen kämpft und jeden Tag seines Lebens dazu beiträgt, die Welt zu verändern.