Vor circa drei Jahren erhielt eine Freundin von mir eine E-Mail von ihrem Schwager, in der er sie bat, in Betracht zu ziehen, an das Projekt Ocean Cleanup zu spenden. Er wies daraufhin, dass es sich um eine niederländische Organisation handelte und er nicht sicher wäre, dass man die Spende von der Steuer absetzen könne, er als passionierter Segler aber auf jeden Fall spenden würde.
Kleiner Exkurs ins deutsche Steuersystem: Es ist das komplexeste Steuersystem der Erde. 80% der weltweiten Literatur zu Steuern handelt vom deutschen Steuersystem. Wir zahlen sehr hohe Steuern und sind darauf versessen, das ein oder andere Schlupfloch zu finden. Geld zu spenden ist ein effektiver Weg, Steuern zu sparen: Man spendet eine bestimmte Summe, senkt dadurch sein Einkommen und zahlt folglich etwas weniger Steuern. Und tust zugleich etwas Gutes. Zwei Fliegen mit einer Klappe usw. ... Ein schreckliches Sprichwort, wer immer es sich ausdachte war ein kaltherziger Scheißkerl.
Ich begann für meine Freundin über Ocean Cleanup zu recherchieren, aber auch, weil ich selbst wissen wollte, was ihren Bruder dazu bewogen hatte, auch ohne Steuervorteile zu spenden. Was ich herausfand, beeindruckte mich sehr.
Nachdem er sich gründlich über das weltumspannenden Problem der Plastikverschmutzung informiert hatte, fand er heraus, dass noch niemand versucht hatte, eine umsetzbare Lösung für dieses riesige Umweltproblem zu finden. Also beschloss er, dies selbst zu tun. Er arbeitete an einem Konzept, den „ Great Pacific Garbage Patch“ zu entfernen, erst im Rahmen eines Highschool-Projekts, dann darüberhinaus. Als 18jähriger brach er 2013 das College ab und gründete Ocean Cleanup, mit einem Startkapital von 300€.
Das Jahr zuvor hatte er einen TedX-Vortrag zu dem Thema gehalten, war aber nicht besonders ernst genommen worden. Erst als das Video einige Monate später ein viraler Erfolg wurde, fand das Projekt erste finanzielle Unterstützung. Die Organisation wuchs und wuchs, genauso die Finanzierung. Dennoch mussten sie viel Kritik von Wissenschaftlern und Skeptikern aus der ganzen Welt einstecken, zumal erste Tests nicht die gewünschten Resultate zu bringen schienen.
Boyan Slat gab nicht auf. Warum sollte er? Niemand anderes kümmert sich um dieses Problem, niemand anderes hat eine alternative Lösung gefunden. Inzwischen hat Ocean Cleanup einen weiteren Mechanismus entwickelt, der in Flüssen platziert werden kann und Plastikteile herausfiltert, bevor sie das offene Meer erreichen. 80% des Plastiks gelangt über Flüsse in die Ozeane, so dass ein frühzeitiges Abfangen die wachsende Menge des zukünftig aus den Weltmeeren zu entfernenden Plastiks reduzieren würde.
Auch wenn diese Prototypen bisher noch keine machbaren Lösungen darstellen, sind sie fast am Ziel. Es mag noch ein par Jahre dauern, die Technologie endgültig zu entwickeln, aber Boyan Slat und Ocean Cleanup werden es schließlich schaffen. Weil sie wissen, dass es keine Alternative gibt, also ist ein Scheitern keine Option.