Portrait Nr. 49

Hans-Peter Dürr

Quantenphysiker, Umweltschützer, glaubte an die Menschheit und liebte alle Lebensformen. INSPIRIEREND.

Sep 2, 2020
Verfasst von:
Alice

Meine Güte, bin ich vielleicht aufgeregt bei diesem Portrait! Es ist der erste Wissenschaftler der Reihe. Die Wissenschaft und ich haben ein schwieriges Verhältnis. Freundlich ausgedrückt fehlt es mir an Leidenschaft wenn es um Dinge wie Physik, Chemie, Mathematik und so weiter geht. In genau diesen Fächern hat es mich auch in der Oberstufe den Streberstatus gekostet– na ja, zumindest den Streberstatus in den Naturwissenschaften.

Weshalb bin ich dann so aufgeregt wenn ich über einen Wissenschaftler schreibe? Einen Physiker noch dazu, wo ich doch in Physik meine erste Sechs schrieb. Desaströs!

"Die Grundlage der Welt ist nicht materiell, sondern geistig." (Hans-Peter Dürr)

Um ehrlich zu sein habe ich erst vor ein paar Wochen zum ersten Mal von Hans-Peter Dürr gehört. Und das, obwohl er einer der Mitbegründer der Klimaschutz-Bewegung war, sowie ein großartiger Denker und Aktivist, nicht nur ein Wissenschaftler. Meine gute Freundin Evi, die mir mit den vielen Eigenheiten der deutschen Sprache weiterhilft, hat ihn auf die Liste geschrieben. Ihr gefällt an ihm besonders, dass er die Wissenschaft nicht über alle Dinge stellte. Er schaffte den Glauben nicht ab, wie es viele Wissenschaftler tun, sondern er schloss alle Lebensweisen in sein Weltbild mit ein, um nicht zu sagen, sein Bild des Universums. Und er ließ genug Raum für Unschärfe und Unsicherheit.

"Uns ist die Natur, die sich ständig weiterentwickelt, mittlerweile zu langsam. Aber warum ist die Natur so langsam? Doch nicht, weil sie dumm ist, sondern weil sie bei jeder Änderung, die sie einführt, darauf wartet, inwieweit diese Änderung sich im Gesamtkontext bewährt oder nicht bewährt. Wir Menschen aber nehmen uns nicht die Zeit." (Hans-Peter Dürr)

Vielleicht sollte ich erwähnen, dass er einmal Quantenphysiker war. Aber fragt mich bitte nicht, was das genau bedeutet. Ich habe keine Ahnung. Seitdem ich Dürrs Buch „Warum es ums Ganze geht” gelesen habe, habe ich zwar eine vage Vermutung, aber das ist auch das schöne an der Quantenphysik: niemand weiß genau, was es damit auf sich hat. Und es muss auch niemand so genau wissen. In diesem Bereich der wissenschaftlichen Theorie hat man akzeptiert, dass keine Sprache der Welt ausdrucksstark genug ist, um die Quantenwelt zu beschreiben. Und es wird auch akzeptiert, das man trotzdem ein erfülltes und gutes Leben führen kann.

"Frieden ist nicht unmöglich, mann muss ihn nur wollen." (Hans-Peter Dürr)

Hans-Peter Dürr überlebte den zweiten Weltkrieg. Das Leiden und der Tod waren in seiner Jugend ständige Begleiter. Wenn all deine Freunde sterben und deine Nachbarschaft dem Erdboden gleich gemacht wird, weißt du, dass eine derartige Zerstörung nie wieder passieren darf. Dürr zeigte auf, dass Frieden nicht auf einer Welt möglich ist, in der alle gegeneinander arbeiten, um ihre eigenen Ziele zu erreichen, anstatt sich gegenseitig zu unterstützen.

Wenn es im Leben darum geht, den Gipfel aller Gipfel zu erklimmen und wenn ständige Konkurrenz die Grundlage aller gesellschaftlichen Fortschritte bildet, sei es im finanziellen, wissenschaftlichen oder technologischen Bereich, dann wird diese Gesellschaft die Mehrheit ihrer Mitglieder im Stich lassen. Auf dem sprichwörtlichen Gipfel aller Dinge ist dann nicht genug Platz für alle, weder für die gesamte Menschheit noch für alle anderen Lebewesen.

"Unsere westliche Konsumkultur, unser Leben verachtendes wirtschaftliches Wettrennen stellt nur eine winzige Nische innerhalb unserer Möglichkeiten dar. Trotzdem glauben viele Menschen, dass die wirtschaftlichen Sachzwänge Naturgesetze seien." (Hans-Peter Dürr)

Was also können wir tun, um das mit rasanter Geschwindigkeit auf uns zukommende Desaster abzuwenden? Dürr schlägt eine mutige und meiner Meinung nach sinnvolle Lösung vor: wir sollten das intellektuelle, spirituelle und ethische Potential unserer Gesellschaft ausnutzen und die vielen alternativen Ansätze sowohl ernst nehmen als auch für die Gestaltung der Zukunft der Gesellschaft 'als konstruktives, lebendiges, kreatives sowie kritisches Element' mit einbeziehen.

Lasst uns unsere vielfältigen Potentiale ausschöpfen. Intellektuell, spirituell, ethisch. Unser angeborenes Belohnungssystem lässt sich auch anderweitig befriedigen als mit unsinnigen Frustkäufen.